Eine kleine mathematische Quizfrage: Ergänzen Sie folgende Zahlenreihe:
1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, …
Nun, welche Zahl folgt auf die 144? Richtig, die 233! Ein neuer Wert wird einfach durch die Addition der beiden letzten Wert erzeugt: 1 plus 2 ergibt 3, 2 plus 3 ergibt 5, 3 plus 5 ergibt 8, 5 plus 8 ergibt 13 usw. Bekannt ist diese unendlich erweiterbare Zahlenreihe als „Fibonacci-Folge„, benannt nach dem italienischen Mathematiker „Fibonacci“ (ca. 1170 – ca. 1240).
Das Erstaunliche: Teilt man einen Wert durch den vorhergehenden (wie 21 geteilt durch 13 oder 144 geteilt durch 89), bildet sich immer ein (gerundeter) Quotient von 1,62!
Was die Fibonacci-Folge mit dem „Goldenen Schnitt“ zu tun hat? Eine ganze Menge! Denn der Quotient 1,62 beschreibt dessen Proportionen. Er lässt sich somit für die Konstruktion optisch harmonischer Flächen nutzen – eine der wichtigsten Aufgaben in der Seitengestaltung, vom Flyer über das Buch bis zur Imagebroschüre und dem Foto.
Teilt man den Quotienten 1,62 in seine Bestandteile 1 und 0,62, erhält man ein Rechenmuster. Denn 1 verhält sich zu 0,62 wie 0,62 zu (1 minus 0,62) 0,38. Anders und „klassisch“ ausgedrückt: Das Verhältnis des Ganzen (hier 1) zu seinem größeren Teil (hier 0,62) entspricht dem Verhältnis des größeren (0,62) zum kleineren Teil (0,38). Dieses harmonische Proportionsverhältnis war bereits Euklid (um 300 v. Chr.) bekannt und wird seit Mitte des 19. Jahrhunderts als „Goldener Schnitt“ bezeichnet.
Der Goldene Schnitt in der Praxis
Der Goldene Schnitt im Satzspiegel
Bei Aufbau von Seiten für Kataloge, Zeitschriften, Broschüren oder Bücher, sollte bereits der Satzspiegel nach den Regeln des Goldenen Schnitts aufgebaut sein, um ein harmonisches und gut lesbares Gesamtbild zu erzeugen.
Die einfachste Variante besteht darin, die Fibonacci-Zahlen so zu verwenden, so dass ein Verhältnis von Bundsteg zu Kopfsteg zu Außensteg zu Fußsteg wie 2:3:5:8 entsteht. Dazu lassen sich in gängigen Layoutprogrammen frei bestimmbare Raster einblenden. Bewährt hat sich die Einteilung der Seite in 34 Quadrate in der Höhe und 21 in der Breite.
Der Bundsteg wird dann beispielsweise 3 Quadrate, der Außensteg 5 Quadrate breit, der Kopfsteg sollte dann 5, der Fußsteg 8 Quadrate hoch sein. Wie Sie sehen, sind dies alles Zahlen aus der Fibonacci-Folge, die eine Proportionsverteilung im Goldenen Schnitt ermöglichen. Geeignet ist dieser Satzspiegel allerdings in erster Linie für Buchseiten, die nur oder hauptsächlich aus Text bestehen.
Der Goldene Schnitt im Layout
Imagebroschüren enthalten – im Gegensatz zu Zeitungen, Zeitschriften und Katalogen – meist sehr viel Weißraum, also unbedruckte Flächen. Außerdem beschränken sie sich in der Regel auf die drei Elemente Foto, Text und Illustration.
Damit eine Seite harmonisch und dennoch dynamisch auf den Betrachter wirkt, sollten diese Gestaltungselemente asymmetrisch verteilt werden. Viele Gestalter tun sich allerdings manchmal schwer mit der Umsetzung. Doch auch hier wirkt der Goldene Schnitt wahre Wunder, denn er beschreibt die „optische Mitte“ einer Seite.
So funktionier’s:
Dazu teilt man über Hilfslinien die längere Seite in fünf gleich große Abschnitte. Im DIN A4 Hochformat sind diese Abschnitte somit 59,40 mm hoch. Die kleinere Seite wird in drei Abschnitte von jeweils 70 mm eingeteilt. Nun löscht man alle Hilfslinien bis auf jene zwischen den Quadraten drei und vier und eins und zwei (rechte Seite) beziehungsweise zwei und drei (linke Seite). Dort, wo sich die verbliebenen zwei Hilfslinien kreuzen, liegt die „optische Mitte“ der Seite.
Es haben sich außerdem vier „Kästchen“ unterschiedlicher Größe ergeben. Zur ausgewogenen Seitengestaltung sollte nun der „Eyecatcher“ im größten Kästchen platziert werden. Das muss nicht zwangsläufig ein Foto sein, eine typografisch ansprechende Überschrift ist genauso wirkungsvoll.
Der Goldene Schnitt im Foto
Dass viele Fotos von Hobbyfotografen langweilig wirken, liegt nicht unbedingt an der aufgenommenen Szene. Sondern vielmehr an der falschen Platzierung des wichtigsten Objekts, ob Baum, Kirche oder Person. Ein gutes Beispiel ist der berühmte „schiefe Turm von Pisa“. Im Querformat aufgenommen (und ohne den nahezu immer zu sehenden stützenden Menschen), steht er meist im Mittelpunkt des Bildes. Die Szene wirkt statisch und damit langweilig.
Ein kurzer Schwenk nach links oder rechts würde den Turm dagegen in den Goldenen Schnitt bewegen, schon bekommt das Foto eine Eigendynamik.
Zum Glück ermöglichen heutige Digitalkameras mit ihrer hohen Auflösung in Bildbearbeitungsprogrammen eine nachträgliche Korrektur solcher Aufnahmen …
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